Wolfgang Kubicki

Zur Medienanfrage für ein Habeck-Porträt

Foto:Tobias Koch

Sehr geehrter Herr S.,

vielen Dank für Ihre Anfrage, ob ich als ehemaliger Wegbegleiter bzw. als Beobachter an einer Dokumentation über Robert Habeck mitwirken soll. Ich lehne dies ab.

Dies hat zwei Gründe: 

Zum einen halte ich es für relativ merkwürdig, wenn ich als politischer Mitbewerber über die persönlichen Eigenarten eines anderen Spitzenkandidaten sinnieren soll – insbesondere wenige Tage vor einer Bundestagswahl. Was soll mir das bringen? Und viel entscheidender: Warum sollte diese Form der Auseinandersetzung von irgendeiner politischen Relevanz für die kommenden vier Jahre sein? 
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Und da sollte es uns ziemlich egal sein, was die Machttechnik oder den Menschen Robert Habeck ausmachen. Es sollte vielmehr beleuchtet werden, mit welchen Vorstellungen die jeweiligen Parteien in die öffentliche Diskussion treten. Oder wollen Sie mir erklären, in der professionellen Betrachtung durch den ÖRR werde Personality höher als Parteiprogramme gewertet? 

Und da komme ich zum zweiten Punkt: Da sich bei dieser Reihe offensichtlich auf die „Kanzlerkandidaten“ konzentriert wird, denke ich ernsthaft darüber nach, ob diese Art der Schwerpunktsetzung durch den ÖRR nicht ein Verstoß gegen den Rundfunkstaatsvertrag ist. Auch den Programmgestaltern des ZDF sollte geläufig sein, dass am 23. Februar nicht irgendein Kanzlerkandidat zur Wahl steht, sondern politische Parteien und deren Repräsentanten – unter anderem die Freie Demokratische Partei, die offensichtlich in dieser ZDF-Reihe keinerlei entsprechende Berücksichtigung finden soll, obwohl sie im Bundestag sitzt und obwohl sie bis vor einigen Wochen noch Teil einer Regierungskoalition war. Wenn Sie nun also vorhaben, Friedrich Merz, Olaf Scholz, Alice Weidel und Robert Habeck mit besonderer medialer Aufmerksamkeit zu bedenken, weil diese „Kanzlerkandidaten“ seien, stellen sich zwei entscheidende Fragen: 

a.      Würde dann nicht auch die BSW-„Kanzlerkandidatin“ Sara Wagenknecht das Auswahlkriterium erfüllen? Denn die Aussicht von Frau Wagenknecht, eine Regierung anzuführen, ist aktuell genauso wahrscheinlich wie diejenige von Alice Weidel oder Robert Habeck. Was macht der Sender eigentlich, wenn sich die Wahlumfragen der Grünen bis zum Ausstrahlungstermin am 19. Februar seitwärts entwickeln und bei 12, 13 Prozent bleiben – oder gar in die Einstelligkeit absinken? Strahlt das ZDF diese Dokumentation trotzdem aus? 
b.      Welche Rolle spielen die vom Volk gewählten Parlamentarier in der professionellen Betrachtung der Öffentlich-Rechtlichen? Als langjähriger Parlamentarier kann ich sagen, dass diese Fixierung auf vermeintlich allein entscheidende Führungsfiguren nicht die demokratische und Verfassungswirklichkeit abbildet. Es ist ein völlig verzerrtes, ja falsches Bild unseres gewaltengegliederten Systems. Oder meint das ZDF, es hatte für mich als frei gewählter Abgeordneter des Deutschen Bundestages irgendeine Bedeutung, dass sich Kanzler Olaf Scholz damals für die allgemeine Impfpflicht ausgesprochen hatte?

Vor dem Hintergrund des Vertrauensverlustes in unsere demokratischen Prozesse und Institutionen, den auch die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten zu verantworten haben (Stichwort z.B.: Miosga-Habeck), rate ich dem Zweiten Deutschen Fernsehen, aus den vorgenannten Gründen von einer solchen Kanzlerkandidaten-Reihe abzusehen. Sie greift in unzulässiger Weise in den demokratischen Wettbewerb ein und stellt somit einen Verstoß gegen die Regelungen des Rundfunkstaatsvertrages dar. 

Ich weiß, dass Sie nicht persönlich für die Programmplanung bzw. -gestaltung des ZDF verantwortlich sind. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieses Themas habe ich mir aber deshalb erlaubt, den Intendanten des ZDF, Herrn Dr. Himmler, ins CC zu setzen. Zudem werde ich meine Antwort auf meiner Webseite zeitnah veröffentlichen, da eine größere Transparenz in dieser unsere Demokratie betreffenden Frage sicher nicht schaden kann.

Mit freundlichen Grüßen und den besten Wünschen für die anstehenden Feiertage 

Wolfgang Kubicki MdB