Wolfgang Kubicki

Wolfgang Kubicki anlässlich aktueller Vorfälle zur Meinungsfreiheit

Foto: Tobias Koch
Foto: Tobias Koch

Im April 2022 wurde eine Bundestagsrede von mir zur allgemeinen Impfpflicht aus einem laufenden Phoenix-Livestream bei YouTube geschnitten (https://www.youtube.com/watch?v=GZMXTaLWH5Y, Minute 42:30). Erst nach Intervention meines Büros wurde diese Rede noch einmal separat von Phoenix aufgespielt (https://www.youtube.com/watch?v=9KY7HnN8oS4).

Erklären konnte man mir diesen Vorgang damals nicht. Phoenix wies meinem Büro gegenüber darauf hin, dass sie zu einem solchen Eingriff technisch gar nicht in der Lage seien. Das neu aufgespielte Video versah Phoenix mit dem Hinweis: „Die Rede von Wolfgang Kubicki fehlt in unserem Youtube-Livestream. Wir haben in allen Livestreams die gleiche Quelle genutzt. In Twitter und in Facebook war die Rede zu sehen. Wir vermuten einen Fehler beim Plattformbetreiber Youtube.“ Ich hatte diese Episode damals als merkwürdig empfunden, habe diesen Vorgang dann aber nicht noch weiter aufgearbeitet.

Nun kommt jedoch ein weiterer, beunruhigender Fall hinzu, der mir gestern zugetragen wurde – und der die irritierende Vermutung aufkommen lässt, dass dieser Eingriff offensichtlich kein Einzelfall gewesen ist. Denn meine Plenarrede aus dem Oktober 2019 (Aktuelle Stunde zur Verteidigung der Meinungsfreiheit) wurde mutmaßlich nachträglich aus der Debattenwiedergabe auf dem Phoenix-Kanal von YouTube getilgt. In den ersten fünf Minuten des Videos, in denen eigentlich mein Debattenbeitrag als Vertreter der antragstellenden FDP laufen sollte, sieht man dort nur einen schwarzen Bildschirm (https://www.youtube.com/watch?v=eLlxzkr_-AI). Alle nachfolgenden Reden sind weiterhin einsehbar. Es liegt sehr nahe, dass dies a. auf einem redaktionellen Eingriff beruht und damit b. eine bewusste Manipulation der Videowiedergabe der Plenardebatte ist.

Ich halte einen solchen Eingriff bzw. eine Unterdrückung von angeblich missliebigen Wortbeiträgen im Rahmen von Debatten im höchsten deutschen Parlament für einen sehr ernsten Vorgang, der die Integrität des demokratischen Streits berührt.

Ich möchte festhalten: Dabei geht es nicht um mich allein. Ich bin durchaus in der Lage, meine politischen Botschaften abseits des Phoenix-Kanals bei YouTube so zu platzieren, dass ich zur Willensbildung beitragen kann. Es geht vielmehr darum, dass sich Menschen sehr oft des öffentlich-rechtlichen Angebotes auf YouTube bedienen und dies als Primärquelle gilt. Ein Weglassen von Wortbeiträgen verzerrt jedoch den Wesensgehalt einer Plenardebatte und beeinträchtigt den Willensbildungsprozess. Und es geht darum, dass wir die Büchse der Pandora öffnen, wenn wir diese Art der Einflussnahme durch Dritte zulasten einer bestimmten politischen Richtung schulterzuckend hinnehmen.

In der NPD-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 17. Januar 2017 (2 BvB 1/13) heißt es:

„Das Grundgesetz geht davon aus, dass nur die ständige geistige Auseinandersetzung zwischen den einander begegnenden sozialen Kräften und Interessen, den politischen Ideen und damit auch den sie vertretenden Parteien der richtige Weg zur Bildung des Staatswillens ist (…). Es vertraut auf die Kraft dieser Auseinandersetzung als wirksamste Waffe auch gegen die Verbreitung totalitärer und menschenverachtender Ideologien“.

Lassen wir zu, dass diese offene Auseinandersetzung gestört wird, geben wir denjenigen Argumentationsfutter, die es in diesen ohnehin schon schweren Zeiten für die Demokratie nicht gut mit unserem Verfassungsstaat meinen. Und wir können jene kaum vom Gegenteil überzeugen, die nicht mehr an einen offenen Diskurs, an die Geltung der Meinungsfreiheit im Lande glauben. Wem soll ich noch erklären, dass man in unserem Land alles ohne Repression frei sagen kann, wenn nicht nur harmlose Machtkritik zu Hausdurchsuchungen führt, sondern vermeintlich im Namen des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks ganze Wortbeiträge aus dem Deutschen Bundestag unterdrückt werden – also faktisch Zensur stattfindet?

Ich sehe es als Aufgabe aller Demokraten an, dass dieses Treiben schnellstmöglich ein Ende findet und eine Rückkehr zu geordneten Verhältnissen im Verfassungsstaat gewährleistet wird.

Ich werde jedenfalls alle meine parlamentarischen und juristischen Möglichkeiten nutzen, um dieses verstörende und demokratiegefährdende Vorgehen aufzuklären. Ich habe am heutigen Tage sowohl die Intendanten von ARD und ZDF als Phoenix-Verantwortliche als auch an Google als Diensteanbieter von YouTube schriftlich zur Stellungnahme aufgefordert. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas habe ich über diesen Vorgang unterrichtet.

Das Bundesverfassungsgericht hat unlängst festgestellt, dass die Freiheit der Meinungsäußerungen die Grundlage der Freiheit überhaupt ist. Wer Eingriffe in dieses Prinzip zu verantworten hat, versündigt sich also an unser aller Freiheit. Niemand darf im freiheitlichen Rechtsstaat anderen den Mund verbieten.