Wolfgang Kubicki

WELT-Interview: „Wieder so ein Fehler von Friedrich Merz“

Armin Laschet ist neuer CDU-Vorsitzender. Ist das eine gute Wahl für die FDP?

Armin Laschet dokumentiert als Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, dass er gut mit der FDP zusammenarbeiten kann. Insofern hat die CDU eine vernünftige Wahl getroffen. Friedrich Merz wäre aber auch keine schlechte Wahl gewesen. Mit ihm hätte es eine ganz andere Debattenlage geben können. Es wäre dann wieder deutlich stärker darum gegangen, wie wir in der aktuellen Krise unseren Wohlstand und unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhalten können.

 

Was war aus Ihrer Sicht ausschlaggebend für die Entscheidung?

Es hat zumindest auch daran gelegen, dass es ein digitaler Parteitag war. Da können sie mit einer guten Rede ohnehin niemanden begeistern. Dazu kommt, dass Merz auf mich – wie schon vor zwei Jahren in Hamburg – auch dieses Mal wieder etwas lustlos gewirkt hat.

 

Gibt es weitere Gründe für seine erneute Niederlage?

Fakt ist auch, dass innerhalb der Union im Vorfeld des Parteitags massiv gegen die Wahl von Merz mobilisiert worden ist. So etwas können sie auf einem Parteitag selbst nur drehen, wenn es Möglichkeiten zur Interaktion mit den Delegierten gibt. Digital sind sie dagegen relativ machtlos.

 

Merz hat Armin Laschet nach seiner Niederlage angeboten, als Wirtschaftsminister ins Kabinett Merkel einzutreten. War das eine gute Idee?

Das scheint mir nicht wirklich durchdacht gewesen zu sein. Es entscheidet ja nicht der CDU-Vorsitzende, wer Bundesminister wird, sondern die Bundeskanzlerin. Abgesehen davon, dass ich nicht glaube, dass so ein Personalwechsel wenige Monate vor der Bundestagswahl noch Sinn macht: Angela Merkel würde doch niemals den amtierenden Wirtschaftsminister Peter Altmaier entlassen, um ihn durch Friedrich Merz zu ersetzen. Friedrich Merz unterlaufen in solchen Situationen häufiger Fehler. Das war wieder so einer.

 

Ihre Prognose: Welche Schwerpunkte wird Armin Laschet in den kommenden Monaten setzen?

Er wird versuchen, die CDU intern zu beruhigen. Man hat ja gesehen, dass es dort immer noch massiv auseinandertreibende Lager gibt. Laschet muss jetzt den Versuch unternehmen, die ganze Partei hinter sich zu versammeln. Andernfalls wird es schon bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz schwierig werden für die Union. Laschet wird außerdem – wie in Nordrhein-Westfalen – stärker darauf drängen müssen, dass bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie nicht zu sehr in Grund- und Freiheitsrechte eingegriffen wird. Im Bund geht es derzeit ja nur noch darum, wie man die Menschen weiter einsperren kann. Und nicht darum, diejenigen zu schützen, die von der Pandemie besonders betroffen sind. Dass Israel seine Bevölkerung Ende März durchgeimpft haben wird, und wir das nicht einmal bis Ende des Jahres schaffen werden, dokumentiert das eklatante Versagen der Bundesregierung.

 

Mit welchem Unions-Spitzenkandidaten rechnen Sie bei der Bundestagswahl im Herbst?

Armin Laschet wird sich die Kanzlerkandidatur nicht aus der Hand nehmen lassen. Er wirkt zwar immer rheinisch-verbindlich, ist aber zugleich sehr zielstrebig. Laschet ist in vielfältiger Art und Weise unterschätzt worden; die Union wird mit ihm als Spitzenkandidat wieder stärkste Kraft werden.

 

Welche Rolle wird Jens Spahn spielen?

Das weiß ich nicht. Mich wundert es jedenfalls nicht, dass er bei der Wahl der Stellvertreter nur ein mäßiges Ergebnis bekommen hat. Wer sich unmittelbar vor einer wichtigen Wahl mit einem so einseitigen Beitrag einmischt, verärgert die Delegierten sehr. Da wäre es mir hinterher auch sehr schwer gefallen, für ihn zu stimmen. Ihm wird aber längerfristig seine schlechte Performance bei der Bewältigung der Corona-Krise mehr schaden, als sein zweifelhafter Auftritt auf diesem Parteitag.

 

Welche Koalitionsmöglichkeiten sehen Sie für die Zeit nach der Bundestagswahl für Ihre Partei?

Die wahrscheinlichste Option wird für uns ein Jamaika-Bündnis sein. Das würde gerade mit Armin Laschet Sinn machen – der braucht jetzt ja dringend Wirtschaftskompetenz. Schleswig-Holstein zeigt, dass und wie eine solche Koalition funktionieren kann.

 

Nach der letzten Bundestagswahl hatte Jamaika aus Sicht der FDP überhaupt nicht funktionieren können. Dieses Mal wird die FDP absehbar nicht in einer stärkeren Verhandlungsposition sein. Warum sollte das diesmal besser klappen?

Zum einen wissen inzwischen alle, dass die FDP nur in eine Regierung geht, wenn es substanzielle Veränderungen gibt. Zum anderen werden die handelnden Personen andere sein. Schon 2017 wäre es so gewesen, dass Daniel Günther, Robert Habeck und ich innerhalb von sechs Wochen ein solches Bündnis auf die Beine hätten stellen können. Inzwischen gibt es auch im Bund zwischen der Führung der FDP und der Führung der Grünen eine belastbare Vertrauensgrundlage. Das wird alles nicht einfach, aber es geht.

 

Hielten Sie auch eine Ampel-Koalition für denkbar?

Denkbar ist vieles, aber die Wahrscheinlichkeit ist doch sehr gering, weil die Sozialdemokraten bedauerlicherweise jegliches Gespür dafür verloren haben, wie sie aus ihrem Umfragetief herauskommen könnten. Insofern wird sich ein solches Bündnis absehbar nicht rechnen.

 

Hand aufs Herz: Befürchten Sie, dass die FDP angesichts des sich abzeichnenden Dreikampfs zwischen Union, SPD und Grünen am Ende unter die Fünf-Prozent-Hürde rutscht?

Die FDP wird auch in diesem Jahr wieder ein zweistelliges Ergebnis bei der Bundestagswahl erreichen. Wir sind mit Ausnahme des Jahres 2009 noch nie von einem so hohen Plateau aus in den Wahlkampf gestartet und haben jedes Mal noch zugelegt. Ich mache mir da keine Sorgen.

 

Das Gespräch führte Ulrich Exner.