Wolfgang Kubicki

RND-Interview: „Die Leistungen von Herrn Spahn kann man nur mit einer Fünf oder Sechs bewerten“

Herr Kubicki, welche Note würden Sie Gesundheitsminister Jens Spahn in Sachen Pandemie-Management geben?

Die Leistungen von Herrn Spahn als Gesundheitsminister kann man nur mit einer Fünf oder Sechs bewerten. Spahn ist seiner Aufgabe nicht gewachsen. Deutschland hat es versäumt, die Alten- und Pflegeheime rechtzeitig zu schützen, Jens Spahn hat zu spät auf den Schutz von Masken gesetzt. Bei der Test- und Impfstrategie hat er auch versagt.

Sollte Merkel Spahn im Kabinett austauschen?

Es sind zwar nur noch wenige Monate bis zur Wahl, aber eine Auswechslung Spahns als Gesundheitsminister würde helfen, neues Vertrauen in der Bevölkerung in den Staat zu schaffen. Auch Peter Altmaier sollte die Kanzlerin aus seinem Amt als Wirtschaftsminister entlassen.

Warum?

Altmaier hat es nicht geschafft, die versprochenen Hilfen in auch nur annähernd erträglicher Zeit zu den Selbstständigen zu bringen. Er hat sie schlicht im Stich gelassen - und diese Politik der Verschleppung setzt sich beim Härtefallfonds so fort. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gerade, ob sich in Berlin islamistische Extremisten Corona-Soforthilfe unberechtigt erschlichen haben. Terrororganisationen zu entschädigen und Hotelbetreiber in den Ruin zu treiben, das muss man erst mal hinbekommen.

Würden Sie sich selbst noch mit Astrazeneca impfen lassen?

Ja, ich würde mich auf jeden Fall mit Astrazeneca impfen lassen. Dass Impfungen in einem gewissen Maß auch Nebenwirkungen haben, ist normal – das Risiko bei Astrazeneca ist offenkundig überschaubar. Die Aussetzung des Impfens mit Astrazeneca ist ein kommunikativer Super-GAU, weil so zu Unrecht das Vertrauen in den Impfstoff beschädigt wird. Die Entscheidung hindert Deutschland daran, möglichst schnell aus dem Lockdown herauszukommen. Wir hätten ohne Unterbrechung mit Astrazeneca weiterimpfen sollen.

Sollte – wenn die Europäische Arzneimittelbehörde grünes Licht für das Weiterimpfen gegeben hat – dieser Impfstoff für jeden, der ihn will, freigegeben werden?

Wir sollten Astrazeneca für alle freigeben. Der Impfstoff nützt nichts, wenn er nicht schnell genug verimpft wird. Ich bin ohnehin der Meinung, dass Deutschland so schnell wie möglich von der starren Impfreihenfolge abweichen sollte. Spätestens, wenn die Hausärzte in die Impfkampagne einbezogen werden, müssen wir es den Ärzten überlassen, selbst zu entscheiden, welche ihrer Patienten als Nächste geimpft werden müssen. Sie wissen am besten, wer den Impfstoff am dringendsten braucht.

Wegen der Mutation steigen die Infektionszahlen. Müssen wir die Schulen bald wieder schließen?

Wir müssen die Schulen im Interesse der Kinder offen halten. Der Weg dazu ist, das Infektionsrisiko beherrschbar zu machen – durch eine gute Teststrategie. Der Bund muss jetzt liefern und die Länder mit ausreichend vielen Tests versorgen, damit Schüler wie Lehrer immer wieder getestet werden können. Durch schnelle Quarantäne lässt sich dann verhindern, dass es zu immer neuen Ansteckungen kommt.

Muss die Union jetzt schnell einen Kanzlerkandidaten benennen, wenn Sie es aus der Krise schaffen will?

Die Menschen werden eher darauf schauen, ob die Union endlich zu einer professionellen Pandemie-Politik findet. Mir ist relativ egal, ob Armin Laschet oder Markus Söder Kanzlerkandidat der Union wird. Ich gehe aber davon aus, dass der bayerische Ministerpräsident in München bleibt. Er weiß genau, dass die bisherigen Versuche von bayerischen Ministerpräsidenten, in Berlin zu reüssieren, kläglich gescheitert sind. In Bayern ist Söder ein Riese, in Berlin ein Zwerg.

Hat SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz Recht, wenn er sagt, er könne Kanzler werden – oder ist das angesichts der Umfragewerte der SPD absurd?

Ich finde es, ehrlich gesagt, lächerlich, wenn Herr Scholz sagt, er könne Kanzler werden. Dazu muss er mit der SPD erst mal die Grünen überholen. Außerdem müsste er mit den Sozialdemokraten eine Politik betreiben, wie Stephan Weil in Niedersachsen oder Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz es tun: also eine Politik der Mitte und nicht eine Politik des Linksdralls. Scholz kann eine solche Politik der Mitte aber gar nicht machen, weil er unter der Aufsicht von Saskia Esken steht.

Das klingt nicht so, als hielten Sie eine Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Grünen für denkbar?

Die FDP ist bereit, nach der Bundestagswahl in der Regierung Verantwortung zu übernehmen. Aber dazu müssen auch die Inhalte stimmen. Ich halte ein Jamaika-Bündnis mit Union und Grünen für die FDP für machbar und für die wahrscheinlichste Variante nach der Wahl. Eine Ampel-Koalition schließe ich zwar nicht aus. Aber es ist extrem unwahrscheinlich. SPD und Grüne im Bund müssten sich in diesem Fall sehr stark bewegen, damit es inhaltlich eine Grundlage für eine gemeinsame Koalition mit der FDP gäbe.

Das Gespräch führte Tobias Peter.