Wolfgang Kubicki

Interview mit dem shz: "Ich möchte unser Ergebnis noch mal steigern"

Sie wollen zur Bundestagswahl wieder als Spitzenkandidat der schleswig-holsteinischen FDP antreten. Was ist Ihr persönliches Ziel dabei - wollen Sie erneut Bundestagsvizepräsident werden? Oder doch noch mal Minister?

Sie wissen, dass mein Lebenstraum nie war – und sicher nicht sein wird –, Minister zu werden. Ich bin durch und durch Parlamentarier. Und ich bin gerne Vizepräsident des Deutschen Bundestages. In dieser Funktion stehe ich der Bau- und Raumkommission des Ältestenrates vor. Ich würde mich freuen, dort noch einiges bewirken zu können. Das Besucherzentrum zum Beispiel muss endlich vorankommen. Die provisorischen Container, die seit Jahren vor dem Reichstagsgebäude stehen und durch die die Besucher des Bundestages immer noch durchgeschleust werden, sind nicht nur unansehnlich, sondern einfach nur peinlich.
 

Hätte die FDP die Verhandlungen zur Jamaika-Koalition vor vier Jahren nicht abgebrochen, wären Sie womöglich Finanzminister geworden. Inwieweit reizt Sie dieses Amt immer noch?

Gar nicht. Es war nie mein Ziel, Finanzminister zu werden. Ich hätte diese Funktion aber übernommen. Aber es ist richtig: Von den denkbaren Aufgaben, die man in einer Regierung übernehmen könnte, ist das Amt des Finanzministers noch immer das reizvollste.
 

Diesmal dürfte eher eine Ampel-Koalition eine Regierungsoption für die FDP sein, weil Union und Grüne womöglich auch allein regieren können. Ihr Parteichef Christian Lindner bezweifelt allerdings, dass es genug Gemeinsamkeiten mit den Grünen und der SPD gibt. Sehen Sie das auch so? Oder können Sie sich eine Ampel vorstellen, in der ja vermutlich auch Ihre alten Gegenspieler Robert Habeck und Ralf Stegner mitmischen würden?

An Spekulationen über Koalitionen beteilige ich mich nicht. Ich finde ja toll, dass Sie schon wissen, wie die Wahl im September ausgeht. Was ich darüber weiß, ist, dass das Ergebnis so schlecht wie noch nie prognostiziert werden kann. Ich habe erlebt, wie schnell die Union auf dem harten Boden der Tatsachen gelandet ist und dass man dort sogar befürchtet, von den Grünen überholt zu werden. Die Grünen haben vor zwei Jahren einen sehr schnellen Aufstieg erlebt – aber in jedem Wahljahr seit 2005 wieder und wieder massiv verloren. Die Lage ist sehr volatil. Aber, um auf Ihre Frage zurückzukommen: Ich kann mir vieles vorstellen, bis auf eine Koalition mit AfD oder Linkspartei. Und dass die substanz- und freudlose Esken-SPD für die Freien Demokraten aktuell nicht anschlussfähig ist, finde ich auch.
 

Eine andere Option für die FDP wäre eine Deutschlandkoalition mit Union, SPD und FDP. Ist so ein Bündnis für Sie denkbar?

Was mich etwas nervt, ist, dass es nur darum geht, wer was wird, und wer was mit wem zusammenmacht. Ich möchte, dass Deutschland wieder aus seinem Dämmerschlaf aufwacht und dass alle Kräfte mobilisiert werden, damit wir den Anschluss in der Welt nicht verlieren. Dass Angela Merkel dem Fortschrittsgeist in diesem Land gutgetan hat, wird niemand ernsthaft behaupten können – wenn wir allein darauf schauen, dass die Gesundheitsämter technisch noch immer auf dem Stand der 80er Jahre kommunizieren. Hier ist viel zu viel liegengeblieben und die Kanzlerin hatte nie die Ambition, daran substanziell etwas zu ändern. Das war übrigens auch ein Grund, warum die Jamaika-Verhandlungen 2017 gescheitert sind. Die Kanzlerin wollte die Ambitionslosigkeit unbedingt fortsetzen – was sie dann ja mit der SPD auch getan hat. Deshalb freue ich mich über jede politische Kraft, die mit uns zusammen einen fortschrittlichen und zukunftsgewandten Weg gehen will.
 

Schauen wir nach Schleswig-Holstein: Bei der letzten Bundestagswahl war die FDP hier drittstärkste Partei, hat 12,6 Prozent der Stimmen geholt und drei Abgeordnete nach Berlin entsandt. Auf wie viel Prozent hoffen Sie diesmal im Land? Und auf wie viele Abgeordnete?

Ich möchte, dass wir das Ergebnis vom letzten Mal noch einmal steigern. Dafür arbeite ich, gemeinsam mit allen anderen schleswig-holsteinischen Freien Demokraten. Und das bedeutet auch, dass wir dafür streiten, vier Abgeordnete in den nächsten Bundestag zu entsenden.
 

Mit der Gesundheitsexpertin Christine Aschenberg-Dugnus und der Menschenrechtspolitikerin Gyde Jensen hat Schleswig-Holsteins FDP zwei profilierte weibliche Abgeordnete im Bundestag. Warum setzt die Landes-FDP nicht mal eine Frau an Nummer eins der Liste?

Mit Christine Aschenberg-Dugnus und Gyde Jensen haben wir wirklich zwei tolle, fachlich versierte und über die Fraktionsgrenzen hinweg respektierte Frauen im Deutschen Bundestag. Und ich würde mich freuen, wenn beide nach der Wahl ihre Arbeit dort fortsetzen können. Im Übrigen: Die FDP Schleswig-Holstein setzt niemanden irgendwo auf eine Liste. Bei uns bewirbt man sich eigenständig und braucht dafür keine schützende Hilfe. Die FDP Schleswig-Holstein muss sich in dieser Frage sicher nicht verstecken: Zwei Drittel ihrer Bundestagsabgeordneten sind Frauen. Ganz ohne Quote.
 

Eine der beiden Frauen könnte am Ende sogar am erneuten Einzug in den Bundestag scheitern, weil es um die aussichtsreichen Listenplätze zwei bis vier Kampfkandidaturen geben wird. Inwieweit würden Sie das bedauern?

Selbstverständlich entscheidet die Landespartei diese Frage in ihrer eigenen Souveränität. Aber natürlich: Ich würde es sehr bedauern.
 

Sie sind aus Ihrer Rechtsanwaltskanzlei inzwischen ausgeschieden. Werden Sie den Anwaltsberuf in der nächsten Wahlperiode ganz an den Nagel hängen und sich voll auf die politische Tätigkeit in Berlin konzentrieren?

Nein, ich werde wahrscheinlich weiterhin noch gelegentlich Mandate annehmen. Aber sicher in deutlich geringerem Umfang.
 

Soll die kommende Wahlperiode Ihre letzte im Bundestag sein? Oder können Sie sich vorstellen, 2025 noch einmal zu kandidieren?

2025 ist definitiv Schluss. Man soll ja immer gehen, wenn es am schönsten ist. Und das Schönste kommt noch.