Fragen und Antworten zu Habecks Schwachkopf-Affäre
Im Zuge der Schwachkopf-Affäre erreichen mich viele Fragen unterschiedlicher Qualität, unter anderem von einem freien Journalisten, der mir einen umfangreichen Fragenkatalog zusandte, den ich ausführlich beantwortete. Bislang erfolgte noch keine Berichterstattung. Ich dokumentiere daher die Fragen und Antworten im Folgenden, da das Thema zu wichtig ist, um auch diese Fragen offen zu lassen.
1.) Sie kritisieren in einem Post indirekt, dass Herr Habeck die Liste von Anzeigestellern unter den Mitgliedern der Bundesregierung anführt und insinuieren, er würde sich leicht beleidigt fühlen. Laut Berichterstattung des Spiegel nimmt Herr Habeck die KI-gestützten Dienste der Agentur „So done“ in Anspruch, die automatisiert soziale Netzwerke nach Beleidigungen und Bedrohungen durchsucht, was die Masse an Anzeigen erklären würde. Halten Sie die Inanspruchnahme eines solchen Dienstes für unlauter und würden Sie den Klienten dieser Agentur eine zu hohe Empfindsamkeit gegenüber Beleidigungen und Bedrohung attestieren?
WK: Laut Franziska Brandmann war „So Done“ zumindest im Falle des „Schwachkopf“-Postings nicht beteiligt. Dieses, so erklärte sie gegenüber „Cicero“ (das haben Sie sicherlich auch schon gelesen), zeige sie gar nicht erst an (https://www.cicero.de/wirtschaft/schwachkopf-robert-habeck-beleidigt-online-hass-franziska-brandmann-so-done). Als Liberaler kann ich nichts gegen legale Geschäftsmodelle haben. Wenn es für solche Unternehmungen Kunden gibt, ist das doch für Frau Brandmann prima.
Was ich problematisch finde, ist, dass in diesem Falle Robert Habeck einen Strafantrag persönlich ausgefüllt hat – offenbar, weil er meint, sein öffentliches Wirken sei durch das „Schwachkopf Professional“-Meme erheblich erschwert. Das ist entweder ziemlich ehrenkäsig oder verkennt völlig die Rechtslage. Auffällig ist doch, dass es ausgerechnet die beiden grünen Minister Baerbock und Habeck sind, die im Bundeskabinett mit Abstand am häufigsten entsprechende Postings melden. Und aus der – Ihnen sicherlich vorliegenden – BT-Drucksache 20/12694 geht hervor, dass in den allermeisten Fällen gar nicht bekannt ist, wie der Stand des Ermittlungsverfahrens ist. Es heißt dort sogar wörtlich: „Das BMWK hat nur in einigen wenigen Einzelfällen Kenntnis davon, dass ein Ermittlungsverfahren zwar eingeleitet, dann jedoch eingestellt worden ist; Im Übrigen liegen dem BMWK keine Daten zu etwaigen Ermittlungsverfahren und deren Ausgang vor.“ Wie kann man dann ernsthaft erklären, die illegalen Angriffe auf einen selbst hätten zugenommen, wenn unklar ist, ob diese überhaupt illegal waren? Ich halte das bloße Abschieben von Verantwortung auf die Gerichte in solchen Fällen für extrem problematisch (ein wirkliches eigenes Interesse scheint ja nicht zu bestehen, ob entsprechende Posts illegal sind), zumal wahrscheinlich ist, dass alle gemeldeten Fälle zunächst einmal in die PKS eingehen, aus der dann hervorgeht, dass die Angriffe auf politische Entscheidungsträger zugenommen haben. Diese erfolglosen Reihenmeldungen sind auch nicht zuletzt deshalb problematisch, weil sie eine erhebliche einschüchternde Wirkung auf den offenen Diskurs entfalten.
2.) Die Agentur „So Done“ wurde von der Bundesvorsitzenden der „Jungen Liberalen“ Franziska Brandmann gegründet, nachdem sie kurz nachdem sie ins Amt gekommen war, von einer Welle von Hasskommentaren geflutet wurde. Würden Sie Frau Brandner auch eine zu hohe Empfindsamkeit gegenüber Hasskommentaren im Netz attestieren, wenn sie deswegen sogar eine Agentur gründet, um diese zu verfolgen?
WK: Über die persönlichen Beweggründe für Unternehmensgründungen spekuliere ich nicht. Frau Brandmann ist offensichtlich auf einem Feld als Unternehmerin erfolgreich, bei dem es ausreichend Kunden gibt. Über moralische Fragen lasse ich mich nicht aus.
3.) Wie finden Sie die Geschäftsidee der Agentur „So done“?
WK: Ich habe eine Geschäftsidee nicht moralisch zu bewerten. In einem Rechtsstaat ist alles legal, was nicht verboten ist. Wenn man das ändern will, muss der Gesetzgeber tätig werden. Hierzu sehe ich aber hinsichtlich des Geschäftsmodells – anders als bei der Ausgestaltung des §188 StGB – keinen Anlass.
4.) In einem weiteren Post auf der Plattform C behaupten Sie, dass „Spott über die Mächtigen“ kriminalisiert würde. Wollen Sie damit aussagen, dass es in Ordnung ist, Politiker_innen zu beleidigen? Oder wollen Sie damit nahelegen, dass deutsche Gerichte zu Unrecht Menschen wegen beleidigender, bedrohender und volksverhetzender Kommentare verurteilen?
WK: Da ich davon ausgehe, dass Sie, bevor Sie mir diese Fragen gestellt haben, ordentlich recherchiert haben, und Ihnen dabei der Begriff „Machtkritik“ untergekommen sein müsste, halte ich dies für eine rhetorische Frage.
Aber für Ihre Zuschauer zitierte ich gerne wörtlich: „Bei der Gewichtung der durch eine Äußerung berührten grundrechtlichen Interessen ist zudem davon auszugehen, dass der Schutz der Meinungsfreiheit gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen ist und darin unverändert seine Bedeutung findet. Teil dieser Freiheit ist, dass Bürgerinnen und Bürger von ihnen als verantwortlich angesehene Amtsträgerinnen und Amtsträger in anklagender und personalisierter Weise für deren Art und Weise der Machtausübung angreifen können, ohne befürchten zu müssen, dass die personenbezogenen Elemente solcher Äußerungen aus diesem Kontext herausgelöst werden und die Grundlage für einschneidende gerichtliche Sanktionen bilden.“ (1 BvR 2650/19) Der Schirm, den das Bundesverfassungsgericht über die Meinungsfreiheit spannt, ist sehr weit. Es wurden vielfach gerichtliche Entscheidungen vom Bundesverfassungsgericht kassiert, weil in den Vorinstanzen zu wenig beachtet wurde, dass der Begriff der Schmähung mit Rücksicht auf seinen den Schutz der Meinungsfreiheit verdrängenden Effekt eng ausgelegt werden müsse. So musste der Grünen-Abgeordnete Volker Beck zum Beispiel hinnehmen, als „Obergauleiter der SA-Horden“ bezeichnet zu werden (1 BvR 2973/14). Eine Schmähung kann demnach erlaubt sein, wenn sie dazu dient, einen Sachverhalt pointiert, mithilfe des Mittels der Überspitzung darzulegen. Bei „Schwachkopf Professional“ wird die Schwelle zur unzulässigen Schmähung sehr offensichtlich nicht überschritten, wenn dies noch nicht einmal bei „Nazi-Schlampe“ der Fall ist (LG Hamburg 11. Mai 2017, Az.: 324 O 217/17).
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5.) In einem weiteren Posting schreiben Sie, Hass und Hetze seien keine rechtlichen Kategorien. Der deutsche Bundestag hat am 18. Juni 2020 das „ Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“ beschlossen. Ferner gibt es den Strafbestand der Volksverhetzung. Zwar findet sich der Begriff „Hass“ nicht im Gesetz, Hasskriminalität ist aber dennoch ein gängiger Begriff. Was wollen Sie also mit ihrer Aussage nahelegen?
WK: Wenn Sie sagen würden: „Ich hasse die AfD“, würde das dann unter die Kategorie „Hass“ fallen? Hass ist keine rechtliche Kategorie, denn man kann auch Apfelkuchen hassen. Wenn Jan Böhmermann erklärt, „vielleicht einfach mal ein paar Nazis keulen“, ist das dann „Hetze“? Volksverhetzung ist hingegen eine konkrete strafrechtliche Kategorie, die behördlich beachtet werden muss. Hetze ist keine rechtliche Kategorie.
Grundsätzlich: Wenn rechtliche Grenzen überschritten werden, muss dies im Rechtsstaat verfolgt werden. Wenn nicht, dann darf (!) es im Rechtsstaat nicht verfolgt werden.
6.) Sie haben nach eigener Aussage am 11. Oktober den X-Kommentar „F.D.P.: Fick den Planeten“ gemeldet und zwar mit Verweis auf „Hass und Hetze“. Bitte erläutern Sie, inwiefern dies kein Widerspruch zu ihrer später getätigten Aussage darstellt, dass Hass und Hetze keine rechtlichen Kategorien seien und dass es gefährlich würde, wenn „harmloser Spott gegen die Mächtigen“ kriminalisiert werde.
WK: Ich habe mir die Worte des Staatsministers im Auswärtigen Amt, Tobias Lindner (Grüne), zu Herzen genommen, der im Zusammenhang mit dem außenpolitischen Eklat mit den Vereinigten Staaten (Stichwort: Hunde und Katzen) gegenüber dem „Bericht aus Berlin“ erklärte: „Ich rate uns allen, das auf X manchmal mit einem Schmunzeln zu nehmen“.
In diesem Zusammenhang wollte ich mit der Meldung dieses wirklich geschmacklosen Posts von Herrn Trittin auf die Absurdität der hochproblematischen „Trusted Flagger“-Meldungen hinweisen. Die meisten X-User haben dies auch so verstanden. Abgesehen davon bekomme ich laufend ehrabschneidende Kommentare in den Sozialen Medien hinterhergeworfen („Arschloch“, „Drecksack“ etc.) und werde auch von der Polizei auf entsprechende Postings hingewiesen. Ich lehne aber ab, einen Strafantrag bei entsprechenden Beleidigungen zu unterzeichnen. Lediglich Verleumdungen und Bedrohungen zeige ich an. Ich kann Ihnen, wenn gewünscht, gerne ein paar Beispiele nennen. Einiges können Sie auch hier nachlesen: https://www.cicero.de/innenpolitik/schwachkopf-affare-grunes-klima-der-einschuchterung
Mich erreichte später noch ein weiterer Fragenkatalog, dessen Beantwortung ich leider aufschieben muss, bis bestehende Unklarheiten über den journalistischen Auftraggeber ausgeräumt sind, die sich im Zuge der Korrespondenz ergaben. Sobald dies geschehen ist, liefere ich diesen noch gerne nach.