Wolfgang Kubicki

Beitrag für die Sindelfinger Zeitung/Böblinger Zeitung: Maskenpflicht - ja oder nein?

In einem Rechtsstaat gilt: Alles staatliche Handeln ist an Recht und Gesetz gebunden. Während jedem Bürger all das erlaubt ist, was nicht ausdrücklich verboten ist, gilt für den Staat, dass er nur tun darf, was ihm ausdrücklich gestattet wurde. In der aktuellen Diskussion um die Maskenpflicht müssen wir uns daher zunächst ein Bild davon machen, was der Verfassungsstaat überhaupt tun darf.

Nach dem Infektionsschutzgesetz können die Behörden bei einer dauerhaften Inzidenz von unter 35 nicht viel tun. Gestattet sind dann lediglich Maßnahmen, die die Kontrolle des Infektionsgeschehens unterstützen, also etwa solche, die für die Nachverfolgung der Infektionsketten hilfreich sind. Die Ministerpräsidentenkonferenz hatte genau die Zahl 35 in ihrem Beschluss am 16. November als Referenzgröße genannt. Um möglichst grundrechtsschonend mit dieser Pandemie umzugehen, ist diese Regelung sinnvoll. Der Staat tut seinen Teil, also die personelle Aufstockung der Gesundheitsämter, damit so wenige Grundrechtseingriffe wie möglich vorgenommen werden. Das heißt auch, dass die allgemeine Maskenpflicht nicht zu diesen Kontrollmaßnahmen zählen kann. Diese ist für die Aufdeckung der Infektionsketten nicht gerade hilfreich – möglicherweise sogar kontraproduktiv, weil die Identifizierung von Personen damit erschwert wird.

Pauschale landesweite Ge- und Verbote sieht das Infektionsschutzgesetz übrigens gar nicht mehr als Regelfall vor, sondern lokale und regionale Maßnahmen. Daher gibt es für eine Maskenpflicht bei den derzeitigen Inzidenzwerten keine rechtliche Grundlage. Wer eine Maskenpflicht dennoch durchsetzen möchte, muss eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes erwirken. Das haben Union und SPD aber offensichtlich nicht vor. Gleichwohl – das bestreitet kein vernünftiger Mensch – ergibt das Tragen einer Maske Sinn, besonders in Innenräumen oder in öffentlichen Verkehrsmitteln, wo der Abstand nicht gewahrt werden kann.

Weil der Staat die Menschen aus genannten Gründen nicht mehr zwingen kann, die Maske als Schutz zu verwenden, sollten alle Anstrengungen darauf verwendet werden, die Bürgerinnen und Bürger mittels einer Informationskampagne darüber aufzuklären, dass sie sich effektiv mit einer FFP2-Maske schützen sollten, wenn es eine potenzielle Ansteckungsgefahr gibt. Gleichzeitig muss die Bundesregierung erklären, bei welchem Impffortschritt sämtliche Grundrechtsbeschränkungen fallen. Es ist das verfassungsrechtliche Gebot, dass die Maßnahmen zum Ziel haben müssen, sich selbst überflüssig zu machen. Die Eigenverantwortung der Menschen muss wieder zentraler Bestandteil unseres Zusammenlebens werden – nicht die ständige Vorgabe von Verhaltensregeln durch den Staat