Wolfgang Kubicki

So können wir die Israel-Feinde bei uns stoppen

Foto Tobias Koch

Der Deutsche Bundestag hat in der vergangenen Woche ein deutliches Signal gesetzt und sich unmissverständlich an die Seite Israels gestellt. Allen politischen Kräften ist klar, dass der 7. Oktober 2023 natürlicherweise auch für die Bundesrepublik Deutschland eine Zeitenwende markieren muss. Wenn die Sicherheit Israels für uns Staatsräson ist, wie es schon Angela Merkel 2008 vor der Knesset betonte, dann stellt der beispiellose brutale und barbarische Überfall der Hamas auch bohrende Fragen an uns, an unsere historische Verpflichtung des „Nie wieder“. Zum Beispiel: Sind die wichtigen politischen Entscheidungen der vergangenen Jahre, vor allem im Bereich der Integrations- und Migrationspolitik, stets von diesem Gedanken geleitet gewesen? Haben die politischen Entscheidungsträger das Nötige und Erforderliche getan, damit sich Antisemitismus in unserem Land nicht ausbreiten kann und jüdisches Leben in Deutschland geschützt ist? Ich befürchte, diese Fragen können nicht vorbehaltlos bejaht werden. Wahr ist leider, das zweifelhafte, weil unscharfe „Wir schaffen das“ wurde irgendwann wichtiger als das unzweifelhafte „Nie wieder“.

 

In diesem Sinne ist es erstaunlich, wie wenig der Beschluss des Deutschen Bundestages aus der vergangenen Woche von politischen Kommentatoren unter diesem Licht betrachtet wurde. Denn dass das Legislativorgan Deutscher Bundestag die Innenministerin auffordern muss, in Sachen Samidoun-Verbot ihre Pflicht zu tun, wäre schon eine Nachrichtenmeldung wert gewesen. Nach dem Vereinsgesetz obliegt es dem Bundesinnenministerium, die Grundlagen eines Verbotes zu prüfen und gegebenenfalls eine entsprechende Verbotsverfügung zu erarbeiten – ohne, dass es dazu einer öffentlichen Aufforderung durch Dritte bedarf.

 

Dass die Grundlagen für ein entsprechendes Verbot vorhanden sind, liegt auf der Hand. Denn sonst hätte Nancy Faeser nach dem Bundestagsbeschluss nicht pflichtschuldig erklären müssen, nun schnellstmöglich zu liefern. So beruhigend es ist, dass die Exekutive tut, was die Legislative will, so verstörend ist es für mich als Verfechter des Rechtsstaates, festzustellen, dass das zuständige Ministerium bei diesem antisemitischen Treiben vorher offensichtlich weggeschaut hat. Abgesehen davon: Dass Samidoun nun durch die notwendige öffentliche Aufforderung vorgewarnt ist, macht eine Razzia unmöglich und das Beiseiteschaffen von belastendem Material und Vermögenswerten möglich. Was sagen wir eigentlich den Menschen, die angesichts dieser Vorkommnisse nun irritiert fragen, ob sich der Rechtsstaat am Recht oder an politischer Richtung orientiert?

 

Wir erleben derzeit in großen und kleinen Städten etwas, was viele Menschen extrem beunruhigt. Klar anti-israelische Versammlungen werden verboten – und finden manchmal trotzdem statt, weil die Staatsmacht offenbar nicht in der Lage ist, das Verbot auch wirkungsvoll durchzusetzen. Polizisten werden eingekesselt, sind den Protestierenden zahlenmäßig haushoch unterlegen. Es machen Bilder die Runde, die einen schwachen, machtlosen Staat zeigen, der zumindest in einigen Orten die Kontrolle zu verlieren scheint. Nicht durch markige Reden mächtiger Politiker, sondern in solchen Bildern spiegelt sich für die Menschen im Land wider, ob ihr Grundbedürfnis nach einem Leben in Ruhe und Frieden gestillt wird.

 

Es ist keine Frage, dass Versammlungen, die die Terroranschläge auf Israel gutheißen oder Israel das Existenzrecht absprechen, verboten sein müssen. Trotzdem sollten wir uns davor bewahren, nun bei jeder pro-palästinensischen Kundgebung nach einem Verbot zu rufen. Das Versammlungsrecht ist ein Grundrecht und solange keine strafbewehrten Handlungen folgen, muss dieses Recht auch denjenigen gewährt werden, deren Weltbild wir verabscheuen und das schwer erträglich ist. Versammlungsverbote „auf Vorrat“, wie wir sie zum Teil bei Corona hatten, sind zwar grundsätzlich möglich, bedürfen allerdings einer sehr guten Begründung. In den Zeiten der Pandemie hatten mich die Begründungen jedenfalls häufig nicht überzeugt.

 

Unsere Verfassung bietet jedoch die Möglichkeit, dass die Staatsmacht bei diesen Demonstrationen wieder Boden unter die Füße bekommt. Denn es steht zu erwarten, dass nicht wenige der Pro-Hamas-Versammlungsteilnehmer gar keinen deutschen Pass haben. Artikel 8 des Grundgesetzes räumt jedoch lediglich den Deutschen das Recht auf Versammlungsfreiheit ein. Ausländer können in Deutschland sogar gänzlich von politischer Betätigung ausgeschlossen werden, wie es bereits im Aufenthaltsgesetz geregelt ist. Wenn wir also solche Bilder wie in Paris oder London vermeiden wollen, auf denen eine Machtdemonstration von Hamas-Unterstützern gegen die Behörden zu sehen war, dann sollten wir in diesem Sinne früher eingreifen und Demonstrationen nur entsprechenden Grundrechtsträgern gestatten. Ich will nicht, dass unser innenpolitischer Diskurs von Kräften aus dem Ausland gesteuert wird. Und ich will nicht, dass unsere Staatsräson von Kräften unterlaufen wird, die das, was uns wichtig ist, verachten, verspotten oder eliminieren wollen. „Nie wieder“ muss im politischen Handeln der Bundesrepublik wieder „Nie wieder“ bedeuten.