Wolfgang Kubicki

Erziehungsprogramme „gegen rechts“ werden die AfD nicht stoppen

Foto Tobias Koch

Vor ein paar Tagen haben mich meine Mitarbeiter wieder einmal darauf hingewiesen, dass mein Name in den Twitter-Trends auftauche. Ich nutze dieses Medium nicht, auch weil ich keine Lust habe, mich dieser tumben und undifferenzierten Dauerhysterie auszusetzen. Was aber war passiert? Es machte eine etwas ungelenke Überschrift einer Zeitung die Runde, die wie folgt lautete: „Landratswahlen in Sonneberg – Kubicki gegen Wahlaufruf für CDU, um AfD-Kandidaten zu verhindern“. In der blöden Twitter-Logik lautete dies messerscharf, Kubicki mache gemeinsame Sache mit Nazis, ist also selbst einer. Da sich selbst Menschen, die eigentlich mit Recherche ihr Geld verdienen, bei Twitter oftmals intellektuell auch nur von Überschriften ernähren, gewinnen solche Schnipsel dann manchmal eine eigene, ganz besondere Dynamik.

 

Natürlich war der logische Twitter-Schluss alles andere als richtig, Wahrheit und Wahrhaftigkeit sollte man dort nicht suchen, denn ich sagte gegenüber Welt TV eigentlich: „Ich kann nur dringend davon abraten, die AfD zu wählen, aber ich bin der Letzte, der Wählerinnen und Wähler, die ja ein eigenes Wahlrecht haben, erklärt, was sie tun und lassen sollen. Ich glaube, die Menschen sind vernünftig genug, und am Ende werden wir sehen, dass der AfD-Kandidat sich nicht durchsetzt.“

 

Ich finde es problematisch, jeden, der sich in einer freien Wahl anders entscheidet, als man das selbst für richtig hält, als Undemokraten oder Diktaturfreund zu etikettieren. Wir sollten für unsere Positionen vehement und engagiert werben, statt bei abweichendem Verhalten mit moralischer Ausgrenzung zu drohen. Denn wer so argumentiert, richtet sich in seiner eigenen Gedankenarmut ein, nennt diese aber dann „Mut“ oder „Haltung“.

 

Gelöst wird das dahinterstehende Problem nicht, eher ist das Gegenteil der Fall: Die Akzeptanzkrise unserer Demokratie, die sich in den erschreckenden Wahlergebnissen der AfD widerspiegelt, haben vor allem die Demokraten verursacht. Das Angebot der Parteien links der AfD wird in manchen Landstrichen häufig nicht als akzeptabel empfunden. Das ist ein großes Problem. Wir müssen es lösen.

 

Wenn wir so weit sind und uns auf diesen Befund einigen können, dann können wir festhalten, dass die bisherige Strategie gegen rechten Extremismus offensichtlich wenig erfolgreich war. Denn wenn beispielsweise mit den vielen Millionen Euro, die jedes Jahr von der öffentlichen Hand für die Bekämpfung von Rechtsextremismus ausgegeben werden, die Empfänglichkeit für entsprechende Botschaften einer in beträchtlichen Teilen rechtspopulistischen bis rechtsextremen Partei nicht signifikant reduziert wird, dann stellt sich die Frage nach dem Sinn – und wirft eine weitere auf: War es nicht eigentlich Zweck dieser Programme, so erfolgreich zu sein, um sich selbst irgendwann überflüssig zu machen? Oder haben manche dieser Programme eher den Effekt, die eigene Wertigkeit dadurch zu unterstreichen, indem mittlerweile sogar politische Positionen aus der Mitte den Anlass für finanzwirksame Forderungen geben, noch mehr gegen rechts zu tun?

 

Die Krise der Demokratie resultiert aus dem liederlichen Umgang mit ihr in der Vergangenheit und Gegenwart. Ich erlebe mittlerweile eine breite Abneigung in der Bevölkerung gegen ritualisierte Empörungsmuster, gegen eine politische Kommunikation, die die eigene moralische Erhebung wichtiger als die Lösung von Problemen erscheinen lässt. Ich erlebe auch, auf wie wenig Gegenliebe aktuelle Bestrebungen des Bundesgesundheitsministers stoßen, einen neuerlichen Anlass zu finden, Einschränkungen des öffentlichen Lebens vorzunehmen. Und ich habe leider den Eindruck, dass die journalistische Hauptstadtblase noch immer nicht verstanden hat, dass auch ihr bisheriges Wirken den demokratischen Geist oftmals eher geschwächt hat.

 

Wenn der politische Widerstand gegen ein brachiales und von der Bevölkerung überwiegend abgelehntes Heizungsgesetz als schädlich und als „Opposition in der Ampel“ geframt wird, dann wirkt man an der Verächtlichmachung des notwendigen demokratischen Streits mit. Denn dann erklärt man eigentlich, es sei egal, was in dem Gesetz steht, es sei egal, ob die gesellschaftliche Akzeptanz fehlt, Hauptsache sei doch, die Überschrift ist richtig. Man kann der FDP nicht vorwerfen, ihr gehe es nicht um die Sache, wenn man selbst meint, die Zustimmung zu einem schlechten Gesetz sei Wert an sich.

 

Dass die Freien Demokraten mit ihrer Kritik offensichtlich nicht allzu falsch lagen, zeigt die öffentliche Erklärung von Robert Habeck vom Dienstagabend. Hier sagte er: „Insgesamt gibt die Einigung die Chance, die Debatte zu befrieden und den gesellschaftlichen Rückhalt für Klimaschutz zu stärken“, was gleichbedeutend ist mit: Der ursprüngliche Entwurf aus seinem Hause hatte auf diesen gesellschaftlichen Rückhalt zu wenig Wert gelegt. Man kann Robert Habeck sicher vieles vorwerfen, aber seine Bereitschaft, den Kopf nicht in den Sand zu stecken, nachdem er mit ihm zugegebenermaßen durch die Wand wollte, hat Größe. Und er hat konkret mit dieser Flexibilität und Kompromisslinie wohl mehr für die Akzeptanz demokratischer Prozesse getan, als es viele Programme gegen rechts vermögen.

 

Vor diesem Hintergrund sehe ich auch die konstruktive und realpolitische Linie von Bundesaußenministerin Baerbock in Sachen EU-Asylkompromiss. Sie hat Recht, ohne die Zustimmung Deutschlands „wäre eine gemeinsame europäische solidarische Asylpolitik auf Jahre tot“. Dass es diese Bundesregierung zum Beispiel geschafft hat, Asylzentren oder einen europäischen Verteilmechanismus zu implementieren und der Flüchtlingsbewegung gen Deutschland die Wucht zu nehmen, hat die Regierung unter Angela Merkel jahrelang nicht vermocht – und hierdurch die innenpolitischen Spannungen seit 2015 erhöht. Ich bin mir sicher, die aktuelle Einigung wird auf die aufgeregte Migrationsdebatte in Deutschland befriedend wirken.

 

„Alles Leben ist Problemlösen“, befand einst der große Karl Popper. Für die Demokratie ist diese Erkenntnis lebensnotwendig. Wenn wir auf dem beschriebenen Pfad so weitermachen und Probleme wirklich lösen, statt mit ihnen Angst zu machen, dann bewältigen wir diese Krise. Unsere Demokratie braucht starke Demokraten, keine Angstmacher.